»Trauer, Angst und Depression« werden Menschen und Gemeinschaften rund um den Globus auch nach der Corona-Krise beeinträchtigen, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in einer am Donnerstag (14.5.) veröffentlichten Videobotschaft.
Der UN-Generalsekretär benennt damit Phänomene, die der Bundesverband Trauerbegleitung in Bezug auf Trauernde bereits jetzt in Deutschland beobachtet.
Mit großer Besorgnis nimmt der Bundesverband Trauerbegleitung e.V. wahr, dass es für trauernde Menschen, und hier besonders für Hinterbliebene von Covid-19-Verstorbenen, wenig Aufmerksamkeit/Unterstützungsangebote in der Öffentlichkeit gibt.
Diese Menschen sind persönlich Betroffene von etwas, das in der Öffentlichkeit als „größte Pandemie aller Zeiten“, „weltweite gesundheitliche Bedrohung“ bezeichnet wird. Sie erfahren die Auswirkung der Krankheit am eigenen Leib.
Neben Sorgen um die eigene Gesundheit und einer strengen Quarantäne haben sie manchmal ihre Angehörigen das letzte Mal vor dem Transport ins Krankenhaus gesehen. Eine Begleitung der Schwerkranken/Sterbenden mit einer persönlichen Beobachtung wie es dem Kranken geht und somit einer möglichen Vorbereitung auf den nahen Tod des Angehörigen war und ist teilweise nicht nur „nicht möglich“, sondern verboten. Die Angehörigen sind somit einer großen Ungewissheit ausgesetzt, von denen erfahrene Trauerbegleiter*innen wissen, dass sie zu einem erschwerten Trauerprozess führen kann.
Auch wichtige Rituale fallen weg: eine Verabschiedung vom Verstorbenen, eine Aufbahrung, je nach Kommune, ein letztes haptisches Begreifen, dass dieser Mensch tot ist, ist nicht für alle möglich.
Damit werden Angehörige in eine Ohnmachtssituation gebracht, die sie lähmen und eine Teilnahmslosigkeit hervorrufen kann.
Nicht gemachte, wenn auch schwere, Erfahrungen wie die Begleitung eines Sterbenden und die Verabschiedung am Totenbett könnten durch Fantasien und innere Bilder bei den Hinterbliebenen ersetzt werden. Diese kreisen um die letzten Stunden des Angehörigen, um sein/ihr Leiden, um seine/ihre letzten Gedanken. Sehnsucht zu trösten, noch einmal nah zu sein und das Gefühl von Schuld , wenn auch völlig unbegründet, den Angehörigen allein gelassen zu haben, können zu negativen Gedankenspiralen bis hin zu Depressionen führen, aus denen trauernde Menschen von alleine nicht mehr herausfinden.
In dieser Situation, in der normalerweise soziale Netzwerke für Trost und Zuwendung und somit Entlastung sorgen, werden die Angehörigen wieder (ein zweites, drittes, viertes Mal..) allein gelassen. Social distancing erlaubt weder körperlichen Kontakt, wie eine wohltuende Umarmung noch Kondolenzbesuche, die durch Erzählen des Erfahrenen an Nachbar*innen, FreundInnen, Bekannte auch zu einer Verarbeitung des Erlebten führen können. Die Angehörigen sind verdammt auszuharren, stimmlos, unsichtbar, einsam und ohne Lobby. Ist der Kampf um einen Covid-19-Patienten verloren, geht er in die Opfer-Statistik ein und taucht als Todesfall in der Öffentlichkeit auf. Die Angehörigen treten zurück bzw. verharren hilflos und traurig in ihren Häusern.
Der Bundesverband Trauerbegleitung warnt daher vor einer großen Anzahl von Menschen in Trauer, die den – eigentlich – natürlichen Prozess der Trauer nicht mehr allein bewältigen können und die ohne eine kompetente Begleitung oder Beratung in einen komplizierten Trauerprozess geraten können.
Der BVT möchte diesen Trauernden eine Stimme geben und sich ihrer Annehmen und sie begleiten. Dafür ist es unserer Meinung nach nötig, dass auf den (Intensiv)Stationen der Krankenhäuser, in den Pflegeheimen usw. auf die Angebote der örtlichen Vereine, Bewegungen und Einzelpersonen, die Trauernde begleiten, aufmerksam gemacht wird. Es ist wichtig, trauernde Menschen direkt und einfühlsam anzusprechen und nicht darauf zu warten, dass sie nach Angeboten und Informationen fragen. Anders als Gastronomen oder die Auto-Lobby haben Menschen in Trauer oft gar keine Kraft an die Öffentlichkeit zu gehen. Der BVT sieht sich somit in der Verantwortung, für einen offenen, empathischen Umgang mit Trauernden zu werben und verweist auf die qualifizierten Trauerbegleiter*innen des Verbands, die diese Arbeit leisten können. Aktuell ist dies auch über einen telefonischen Kontakt, per E-Mail oder über Videotelefonie möglich oder auch wieder in der Einzelbegleitung und in Kleingruppen.
Wir möchten alle Trauernden ermutigen, sich Unterstützung zu holen!
Nicht Sie sind kompliziert oder verrückt, sondern die Zeit, die wir alle gerade erleben.
Mariel Pauls-Reize
Meerbusch, Mai 2020