Zum Schutz von trauernden Menschen ist es wichtig, auf Qualität in der Trauerbegleitung zu achten. Diese kann nur erreicht werden, wenn auf Qualität in der Qualifizierung zur Trauerbegleitung geachtet wird. Darum hat der Bundesverband Trauerbegleitung e. V. Standards für Trauerbegleitungs-Qualifizierungen erarbeitet und es sich zur Aufgabe gemacht, diese kontinuierlich fortzuentwickeln.
Die letzte vollständige Überarbeitung erfolgte im Rahmen der Erstellung einer Qualifizierungsordnung, die von der Gruppe der qualifizierenden Mitglieder im BVT am 29.11.2021 verabschiedet wurde.
Trauernde Menschen suchen Begleitung.
Trauer- und Sterbebegleitende brauchen Kompetenzen.
Kompetenzen müssen vermittelt und erworben werden.
Dabei wählt er bewusst die Bezeichnung „Qualifizierung“ statt „Ausbildung“, weil Fortbildungen und Qualifizierungen in Trauerbegleitung keine Berufsausbildungen, sondern ergänzende Qualifikationen sind.
Der Bundesverband Trauerbegleitung e. V. ist ein Zusammenschluss von lehrenden Fachkräften, die qualifizierte Fortbildung anbieten und durchführen – für Menschen, die mit der Begleitung Sterbender und Trauernder im Beruf, im ehrenamtlichen Engagement oder in ihrem persönlichen Umfeld konfrontiert sind; die in Erwachsenenbildung, Supervision und individueller Trauerbegleitung tätig sind. Seit dem 01.01.2014 können auch qualifizierte Trauerbegleitende Mitglied im BVT werden.
Die Qualifikationen haben die Zielsetzung einer erweiterten Handlungskompetenz in der Beratung und Begleitung durch Schulung der
- Fachkompetenz
- Selbstkompetenz
- Methodenkompetenz
- Sozialen Kompetenz
Sie befähigen nicht zu therapeutischer Arbeit.
Inhalte und Schwerpunkte der Qualifikationen nach den Standards des Bundesverbandes Trauerbegleitung e. V.
Sterbebegleitung und Trauerbegleitung sind sehr wichtige und verantwortungsvolle Aufgaben. Beides sind jedoch verschiedene Bereiche, die sich zwar berühren und teilweise überschneiden: Doch es ist ein Unterschied, ob ein Mensch aus dem Leben (Sterbebegleitung) oder in einem Trauerprozess wieder ins Leben (Trauerbegleitung) begleitet wird. Die Unterschiede die daraus resultieren, sollten Inhalte der Informations- und Qualifizierungsmaßnahmen mit dem Schwerpunkt der Trauerbegleitung und Trauerberatung sein.
Beide Begleitungsprozesse brauchen Menschen, die verantwortungsvoll, sensibel und mit einem vielschichtigen Wissen diese Aufgabe übernehmen. Und diese Begleitenden brauchen dann auch selbst Begleitung, um sich selbst immer wieder zu reflektieren und ihrerseits aufgefangen zu werden.
Zu den Inhalten gehören darum in besonderer Weise die Reflexion der eigenen Trauererfahrungen und der Motivation zur Trauerbegleitung. Neben dem Schwerpunkt „Wissen um Trauer und Trauernde unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Trauerforschung“ zu erarbeiten, sollten die Teilnehmenden in den Qualifikationen verschiedene Ansätze und Modelle in der Trauerbegleitung kennenlernen und ihre eigenen Handlungsspielräume und Begleitungsfertigkeiten erweitern. Sie sollten das Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung kennen und die Abgrenzung und Unterscheidung von Sterbe- und Trauerbegleitung nachvollziehen können. Es ist wichtig, die Grenzen zwischen Therapie und Beratung benennen zu können und eigene Grenzen zu erkennen.
Auch wenn Trauer keine Krankheit ist, kann sie sehr wohl krank machen. Hier gilt es genau die jeweiligen Trauersymptome und Ressourcen der Trauernden zu beobachten und zu erkennen, wann es evtl. auch (Trauma-)therapeutische Unterstützung braucht.
Die Inhalte und der Aufbau der Fortbildungen sollten dabei dem Dreischritt
- Selbsterfahrung
- Theorie-Praxis-Erarbeitung
- Supervision
folgen. Da sich in der Trauerbegleitung andere Fragen als in der Sterbebegleitung ergeben und damit die Vermischung von Sterbe- und Trauerbegleitung nicht weiter forciert wird, zeigt die Praxis, dass es notwendig ist, gezielt Supervision für Trauerbegleitende anzubieten.
Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Großen Basisqualifikation:
Die Teilnehmer:innen
- haben in der Regel ehren- oder hauptamtliche Erfahrung im Praxisfeld Trauer
- haben ein Mindestalter von 18 Jahren
- haben eine Bereitschaft zur Reflexion und Selbsterfahrung
- sind psychisch belastbar
- sind bereit sich mit der eigenen Lern- und Trauerbiografie auseinanderzusetzen.
- haben Respekt vor Menschen verschiedener Weltanschauungen und Lebensentwürfen
Für die Inhalte heißt das in den einzelnen Bereichen konkret die Bearbeitung folgender Themen:
• wissen um die historische Entwicklung von Theorien und Modellen über Trauerprozesse
• wissen um aktuelle theoretische Entwicklungen und Studienlage, sowie die Fähigkeit, einen theoretisch fundierten Standpunkt zu vertreten
• haben die Bereitschaft und Fähigkeit, zukünftige Entwicklungen kritisch zu reflektieren
• haben die Fähigkeit, Theoriewissen im Rahmen praktischer Begleitungen anzuwenden
• haben die Fähigkeit, Begleitungs- bzw. Beratungsprozesse auf dem Hintergrund des erworbenen Theoriewissens zu reflektieren
• haben die Fähigkeit, Risikofaktoren, Ressourcen und Symptome in einem individuellen Trauerprozess zu identifizieren
• haben die Fähigkeit, Trauerprozesse einzuschätzen als erschwert oder nicht erschwert
• haben die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen Trauerprozess, Psychotrauma und Depressiven Erkrankungen
• haben ein Grundverständnis, was mit der ICD-Diagnose „Anhaltende Trauerstörung“ gemeint ist
• haben die Fähigkeit, Begleitung und Methoden/Interventionen anzupassen an individuelle Bedürfnisse und den Zeitpunkt der Begleitung im jeweiligen Trauerprozess
• haben die Fähigkeit, kreative und kognitive Methoden in ihrer Wirkung einschätzen und gezielt für die jeweiligen Bedürfnisse von Trauernden einzusetzen
• haben die Kompetenz, begründete Einschätzung treffen zu können, ob haupt- oder ehrenamtliche Begleitung oder Psychotherapie angemessen sind, ob bei Gruppenangeboten offene, geschlossene oder Selbsthilfe-Gruppen angemessen sind
• können Trauerbegleitung und Sterbebegleitung abgrenzen und unterscheiden
• erwerben umfassendes Wissen über Gruppenprozesse und Gruppenleitung
• wissen um die systemische Wirkung und Zusammenhänge von Trauer – können sie erkennen und wahrnehmen
• wissen um die Grenzen eigener Fachkompetenzen
• kennen (kreative und ressourcenorientierte) Methoden für die Begleitung Trauernder und können sie adäquat einsetzen
• kennen Kriseninterventionen und haben die Fähigkeit, auf Krisen zu reagieren
• können Einzel- und Gruppenprozesse in der Begleitung gestalten und begleiten
• kennen Rituale und können sie adäquat einsetzen (beispielhafte Kenntnis und kritische Würdigung)
• lernen Gesprächsführung kennen und können sie anwenden.
• haben Achtung vor der eigenen Entscheidungsfähigkeit und den eigenen Werten des/der Trauernden
• können Haltungen und Einstellungen zu unterschiedlichen religiösen Hintergründen und zu unterschiedlichen Arten von Verlust reflektieren
• können die eigene Weltanschauung, Haltung und Menschenbild reflektieren
• können die eigene Rolle und eigenen Lernprozesse reflektieren (Rollen- und Selbstreflexion)
• lernen Methoden der Selbstreflexion – da Rollenreflexion und Selbstreflexion ständige Prozesse sind
• lernen Methoden der Selbstfürsorge (Psychohygiene) und können sie anwenden
• prozesshaftes Lernen in und mit der Gruppe
• das Begegnen von eigener und fremder Trauer
• den Umgang mit krisenhaften Situationen
• das Erfahren und Erleben von unterschiedlichen Reaktionen und Umgangsweisen
• das wahrnehmen von eigenen Gefühlen und denen der Trauernden
• den Umgang mit eigenen Gefühlen und denen der Trauernden
- können Gesprächsführung anwenden
- können Prozesse gestalten
- Erstgespräch
- Kontrakte, Kontraktgestaltung
- Abschlussgestaltung
- können mit Ressourcen und Grenzen umgehen
- der Begleitenden
- der Begleiteten
Wünschenswert ist eine begleitete Praxis der Teilnehmenden, Auf jeden Fall sollte ein Praxistransfer durch Fallbesprechung, Rollenspiel, Simulation stattfinden.
Die Vermittlung der Inhalte sollte sich durch kreative Methoden auszeichnen, die das eigene Erleben der Teilnehmenden und die Praxis der Trauerbegleitung unterstützen.
Folgende fachliche Qualifizierungen sollten im Team vorhanden und abrufbar sein, werden aber nicht von jedem Teammitglied im Gesamten erwartet.
- akademische Ausbildung
- didaktische Qualifikation
- Praxiserfahrung in der Trauerbegleitung
- therapeutische Ausbildung
- eine Leitungsperson gewährleistet eine kontinuierliche Prozessbegleitung
- ein Rückgriff auf therapeutisch qualifizierte Teammitglieder ist jederzeit gewährleistet
Nach Durchlaufen der Qualifizierungsmassnahme sollte kontinuierliche Supervision und regelmäßige Fortbildung z. B. durch Praxistage zu speziellen Themen aus der Trauerbegleitungspraxis und mit Erkenntnissen aus der jeweilig neueren Trauerforschung für nachhaltige Qualitätssicherung sorgen. (gehören zum Aufnahmeantrag in den Bundesverband Trauerbegleitung e. V. der Nachweis über die Große Basisqualifikation und mindestens 15 Stunden Trauerbegleiter-Supervision innerhalb von drei Jahren.)
Ein leidiges und dennoch notwendiges Thema ist die Dokumentation. Sie ist einerseits ein mögliches Instrument zur Selbstreflexion, andererseits dient sie als Nachweis gegenüber Verhandlungs- und Kooperationspartnern, möglichen Geldgebern und den Verantwortlichen in den Hospizgruppen (Vorstand und Koordination). So dient sie auch der Qualitätssicherung.
Hier sei auf die Dokumentationsmappe von Chris Paul hingewiesen, die vor einigen Jahren von der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, ALPHA Bonn und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin erstellt wurde.
Trittsteine legen – Trauer von Hospizlern
Sterbebegleiter und Sterbebegleiterinnen haben eine wichtige Rolle und Funktion in der Zeit kurz vor Eintritt des Todes bis zur Bestattung. Sie können dafür sorgen, dass Tritt- oder Stolpersteine für den weiteren Trauerprozess gelegt werden. Dies ist ein wichtiges Augenmerk in der Hospizbegleiterbefähigung. Doch in der Praxis sind an diesem Punkt immer wieder Unsicherheiten und Hilflosigkeit spürbar. Deshalb stellt sich die Notwendigkeit, hier auch über den Vorbereitungskurs hinaus immer mal wieder spezielle Fortbildungsangebote (z. B. Praxistage) anzubieten bzw. diese Thematik immer wieder in den Begleitgruppen anzusprechen. Dabei sollte einerseits die eigene Rolle, andererseits Möglichkeiten des Handelns (z.B. Rituale) bzw. des „Lassens“ Inhalt sein. Auch die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen und Werten darüber, was „richtig“ oder „falsch“ in der Zeit kurz vor Eintritt des Todes bis zur Bestattung ist, muss ständiger Reflexionsprozess aller Hospizmitarbeitenden sein.
Sterbebegleitende werden durch das – gewollte – Eingehen einer Beziehung zum Sterbenden und zu den Angehörigen auch selbst zu Trauernden. Daraus ergeben sich unterschiedliche Fragestellungen:
1. Es ist nicht sinnvoll dieselben Begleitenden in derselben Sterbe- und Trauerbegleitung einzusetzen. Sie haben u. U. nicht mehr genügend Abstand, sind durch die Beziehung ein Teil des Trauersystems geworden.
2. Es stellt sich die Frage der Loyalität: In der Sterbebegleitung sollen die Wünsche des Sterbenden Vorrang haben, im Trauerprozess geht es um den Angehörigen. Hier könnte sowohl für die Begleitenden als auch für die Angehörigen ein Konflikt entstehen.
3. Wie setzen sich die Sterbebegleitenden mit ihrer eigenen Trauer am Ende einer Begleitung auseinander? Wie nehmen sie selbst und die Koordinatoren diese Trauer war? Gibt es Raum und Rituale für die eigene Trauer?
Es ist gut, wenn Begleitende immer wieder inne halten und sich bewusst machen, dass sie ihre Tätigkeit nur in Beziehungen ausüben können, die sie auch zeichnen. Die Sterbenden und Trauernden vertrauen ihnen ein Vermächtnis über das Leben und Sterben an. Und sie vertrauen sich selbst den Begleitenden an. Das sollte gewürdigt werden – gerade auch durch Zeit nehmen zur Verarbeitung und zur Selbstpflege. Denn: Nur wenn sich Begleitende auch Zeit zur Trauer nehmen, werden sie auch Vorbild für einen gesunderen, natürlicheren und selbstverständlicheren Umgang mit Trauer sein können.